Wort zur Wahl 2014

Die Wahlen sind gelaufen …

In der Septemberausgabe des Rheinischen Ärzteblattes konnten Sie es lesen: Die Kammerversammlung hat sich am Samstag, den 23. August 2014 konstituiert und aus ihren Reihen einen Vorstand gewählt.

Die verschiedenen Kreisstellen haben sich mittlerweile auch konstituiert. Die Bezirkstellen wurden zum größten Teil während der Pause der konstituierenden Kammerversammlungssitzung gewählt, denn ihr dürfen nur Mitglieder angehören, die auch in die Kammerversammlung gewählt wurden.

Im Regierungsbezirk Köln kandidierten 26 verschiedene Listen, im Regierungsbezirk Düsseldorf sogar 27. Für die wahlberechtigten Kolleginnen und Kollegen war es sicher schwer sich für eine geeignete Liste zu entscheiden. Wahrscheinlich wurde ganz pragmatisch nach bekannten Namen entschieden und wenn sich kein solcher fand, wurde wahrscheinlich nach dem Klang des Listennamens entschieden oder zumindest nach dem, was man mit diesem Namen assoziierte.

Die Berechnung zur Vergabe der Sitze in der Kammerversammlung erfolgte nach dem d’Hondt-Verfahren. Man kann es gerecht oder ungerecht finden, so wurde es jedenfalls irgendwann einmal beschlossen und durch die Wahlordnung im Heilberufsgesetz festgeschrieben. Nach der Wahl gab es somit viele strahlende Gesichter, aber auch etliche Enttäuschungen. Viele “alte Hasen und Häsinen”, die seit Jahren Kammerpolitik betreiben und aktiv in vielen Ausschüssen mitarbeiteten, waren plötzlich nicht mehr dabei, weil die Anzahl der Stimmen noch nicht mal für einen Sitz reichte. Dafür zogen viele neue Kolleginnen und Kollegen (53) ein. Diese mussten dann nach der konstituierenden Sitzung erstaunt feststellen, dass die älteren erfahrenen Taktiker “das Fell des Bären” bereits vorab verteilt hatten. Kaum stand das Wahlergebnis fest, liefen nämlich die Telefone heiß: da wurden mögliche Koalitionen fantasievoll projektiert, “Pöstchen” verschachert, Absprachen getroffen und auch wieder gebrochen. Es erinnert mich so manches Mal an das Strategiespiel “Risiko”, nur hier ist es leider kein Spiel mehr. Vielleicht hat ja noch so manche Kollegin oder mancher Kollege die naive Vorstellung, es ginge alles ganz demokratisch zu und von außen betrachtet wirkt das auch so. Ich will Ihnen ein Beispiel aufzeigen: Nachdem ich den Artikel “Parlament der rheinischen Ärzte bestätigt Führungsspitze deutlich” im Rheinischen Ärzteblatt (Heft 9/29.8.2014, 68. Jahrgang) las, konnte ich mir vorstellen, dass ein Nichtkenner der Szene die Situation wie folgt beurteilen würde: Alle gewählten Kammerversammlungsmitglieder wählen ganz demokratisch aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden und seinen Stellvertreter, danach werden die Vorstandsmitglieder aus den vorgeschlagenen Kandidaten gewählt. Orginaltext RÄ: “Der Facharzt für Innere Medizin aus Aachen (gemeint ist Rudolf Henke) setzte sich in einer Kampfabstimmung mit 74 Stimmen gegen den Allgemeinarzt Dr. Lothar Rütz aus Köln durch, der 40 Stimmen erhielt”. Als unbedarfter Leser übersetze ich den Text wie folgt: von 114 Kammerversammlungsmitglieder haben sich 74  eindeutig für Herrn Henke als Vorsitzenden entschieden. Klare Mehrheit, wo ist hier das Problem? Als Insider übersetze ich Ihnen das jetzt wie folgt: Die Bezeichnung “Kampfabstimmung” ist bereits falsch gewählt. “Kampfabstimmung ist ein Ausdruck aus der Politik und bezeichnet in Deutschland eine Abstimmung einer Versammlung oder eines Gremiums, bei der mehrere Alternativen zur Auswahl stehen (siehe Wikipedia). Allerdings wird der Begriff Kampfabstimmung nur verwendet, wenn beide Alternativen eine Chance auf eine Mehrheit haben. Ansonsten spricht man bei Kandidaturen von Zählkandidaten.” Diese Chance auf eine Mehrheit war bei Herrn Kollegen Dr. Rütz gar nicht gegeben, denn der Marburger Bund und die Fraktion VoxMed hatten bereits im Vorfeld beschlossen, dass sie koalieren und Rudolf Henke zum Vorsitzenden wählen würden. Wie immer im Leben muss man sich die Frage “cui bono” stellen und natürlich werden die Mitglieder der Fraktion VoxMed nur dann Herrn Henke wählen, wenn sie dafür auch im Gegenzug etwas erhalten. Was könnte das sein? Z.B. den Posten des Vizepräsidenten und Sitze im Vorstand.

Schauen wir uns jetzt mal das Ergebnis an: Die insgesamt 53 verschiedenen Listen haben sich zu 3 großen Fraktionen zusammen geschlossen:

  • Marburger Bund: 54 Mitglieder
  • Ärztebündnis Nordrhein: 40 Mitglieder
  • VoxMed: 27 Mitglieder

Der Vorstand besteht aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und 16 Beisitzern. Schauen Sie sich die Zahlen an und bilden Sie sich selbst ein Urteil: 54 + 27 = 81 Mitglieder = 14 Sitze, 40 Mitglieder = 4 Sitze … gerecht verteilt?

Bisher gab es ein ungeschriebenes Gesetz, dass die gewählten Mitglieder entsprechend ihrer Fraktionsstärke nach d’Hondt auch im Vorstand widergespiegelt sehen wollte: Als vor Jahrzenten mit einer Änderung im Heilberufsgesetz die Fraktionsbildung in der Kammerversammlung implementiert wurde, geschah das gegen den Willen der Ärzte. Mit seiner großen politischen Weitsicht setzte der damalige Kammerpräsident, Prof. Dr. Horst Bourmer, auf kollegiale Zusammenarbeit und vermied eine Spaltung in „Regierung“ und „Opposition“.  Er setzte durch, dass alle Fraktionen in der Kammer gemäß ihrer Stärke am Vorstand beteiligt wurden, berechnet nach dem d`Hondt`schen Verfahren. Sein Nachfolger, Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, setzte mit seiner Klugheit und kollegialen Fairness diese Tradition in Nordrhein selbstverständlich fort. Nun wurde diese Tradition erstmals gebrochen. Warum? Weil wahrscheinlich sonst keine Einigung zwischen den beiden koalierenden Fraktionen hätte erzielt werden können.

Klartext: Nach d’Hondt hätten dem Ärztebündnis Nordrhein 5 Vorstandssitze zugestanden. Schon im Vorfeld wurde klar gestellt, dass man mit maximal mit 4 Sitzen rechnen dürfte. Ist es wirklich noch erstaunlich, dass unsere 5 Kandidatinnen und Kandidaten im ersten Wahlgang nicht die nach der Satzung notwenigen 61 Stimmen erhielten, wenn wir selbst nur 40 Mitglieder haben und davon auch nicht alle anwesend waren? Immerhin erhielten all unsere Kandidatinnen und Kandidaten auch Stimmen der anderen Fraktionen, denn alle wurden mit über 40 Stimmen gewählt (vorausgesetzt unsere eigenen Mitglieder haben nicht mit “nein” gestimmt). Die Botschaft lautete: “Seid froh, dass wir euch vier Sitze im Vorstand zugestehen, wir könnten euch auch gar keine geben.” So ist es. Wenn man gewollt hätte, hätte man uns auch komplett abwählen können. Taktik und Demokratie widersprechen sich nicht. Auch hier geht es, wie überall im politischen Leben, in erster Linie um Macht und Durchsetzung eigener und auch monetärer Interessen.

Wünschenswert wäre ein ärztliches Parlament, beteiligt nach Anzahl der Wählerstimmen und ohne Koalitionsbildung und Fraktionszwang, so dass jeder Antrag von jedem gewählten Mitglied frei entschieden werden kann. So wie es schon seinerzeit von Prof. Dr. Horst Bourmer gewünscht war. Würden wir mit einer gemeinsamen ärztlichen Stimme auftreten und dies auch nach außen vertreten, könnten wir wahrscheinlich viel mehr erreichen.

Im Ärztebündnis Nordrhein gibt es gottseidank keinen Fraktionszwang und auch wenn wir nicht gemäß unserer Mitgliederzahl beteiligt werden, werden wir doch unsere Meinung einbringen. Sie werden auf jeden Fall noch von uns hören!

Herzlichst Ihre

Helga Wollring

im September 2014